Arbeitsagogik - Fördern durch Arbeit

Unter Arbeitsagogik versteht man das professionelle Leiten und Begleiten sowie die Verhaltensmodifikation von Menschen in und bei der Arbeit mit dem Ziel, die persönlichen und sozialen Kompetenzen der Betreuten zu fördern. Diese sind aus den verschiedensten Gründen - psychische, körperliche oder geistige Behinderung, Sucht, Dissozialität, Arbeitslosigkeit, usw.- vorübergehend oder dauernd nicht in der Lage, in der freien Wirtschaft zu leben und zu arbeiten. Die in der Arbeitsagogik vermittelten Schlüsselqualifikationen verhelfen ihnen zu einer selbständigeren Lebensgestaltung und fördern ihre (Wieder-)Eingliederung in Gesellschaft und Arbeitswelt. Arbeitsagogik verbessert damit die Lebensqualität benachteiligter Menschen. Sie bedeutet Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen, deren Verhalten nicht den gesellschaftlichen Erwartungen oder deren Leistungsfähigkeit nicht unseren Normen entspricht. Ihr Zugang zur Arbeitswelt ist dadurch erschwert.

Arbeitsagoginnen und -agogen arbeiten in geschützten Werkstätten, in Therapie- und Rehabilitationszentren für Drogen- und Alkoholabhängige, in psychiatrischen Kliniken, in Eingliederungs- und Beschäftigungsstätten, in Justiz- und Jugendheimen, in Arbeitsintegrationsprojekten und in mannigfachen andern sozialen Bereichen. In den letzten Jahren wird die Bedeutung der Arbeitsagogik insbesondere im Straf- und Massnahmenvollzug erkannt und genutzt. Hier kann sie entscheidend zur Verminderung der Rückfallgefahr und zur Integration der Eingewiesenen beitragen.

Nebst ihrem, häufig handwerklichen, gelegentlich aber auch pflegerischen, psychiatrischen, kaufmännischen oder anderen Erstberuf verfügen diplomierte Arbeitsagoginnen und -agogen über eine zweieinhalbjährige Zusatzausbildung (IfA, ehemals VAS). Für im Arbeitsbereich von Behinderteninstitutionen tätige BetreuerInnen, z.B. GruppenleiterInnen am geschützten Arbeitsplatz, besteht seit 2001 ein modular aufgebauter Lerhgang Arbeitsagogik (agogisINSOS). Als dritte im Bund bildet die Academia Euregio Bodensee seit 2006 systemische Arbeitsagoginnen und -agogen aus.

Am 1. Januar 2004 ist das neue Berufsbildungsgesetz (nBBG) in Kraft getreten, das die bisher kantonal geregelten Berufe im Bereich Soziales und Gesundheit unter die Obhut des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT) stellt. Damit sind die Voraussetzungen für die Lehrgänge im Sozialbereich mit einem Abschluss als Eidgenössische Höhere Fachprüfung (HFP) geschaffen. In diesem Zusammenhang haben die zuständigen Verbände

  • Agogis – Agogis - Berufliche Bildung im Sozialbereich
  • IfA – Verein Institut für Arbeitsagogik
  • INSOS – Soziale Institutionen für Menschen mit Behinderung Schweiz
  • SVOAM - Schweiz. Verband der Organisatoren von Arbeitsmarktmassnahmen
  • VAS – Verein Arbeitsagogik Schweiz

dieses Berufsprofil entworfen.

Seit 2009 wird Arbeitsagogik vom BBT als Eidgenössische Höhere Fachprüfung (HFP) anerkannt.

Als besonders effizient und ökonomisch erweisen sich in der Praxis auf die spezifischen Bedürfnisse der Institution massgeschneiderte interne Weiterbildungen. Das ist Ihr konkreter Nutzen!

Wer von der Privatwirtschaft in den Sozialbereich wechselt, übt nicht einfach die bisherige Tätigkeit in einem neuen Umfeld aus. Vielmehr ergreift er einen neuen Beruf mit einer ganz neuen Zielsetzung. Er wechselt von der produkt- zur klientenzentrierten Tätigkeit. Im Zentrum steht nicht mehr die Produktion - sie ist jetzt Mittel zum Zweck - sondern der Klient und seine Lebensqualität, die es zu fördern gilt. Waren in der Wirtschaft die beruflichen Fachkenntnisse ausschlaggebend, sind es jetzt die agogischen Kompetenzen. Erstere habe ich mir in Lehre und Berufspraxis erworben, während ich mir letztere erst aneignen muss. Für all jene, die ihre Aufgabe ernst nehmen, ihre Betreuten respektieren und professionell begleiten wollen, ist daher eine arbeitsagogische Weiterbildung zwingend. Verantwortungsbewusste Institutionsleiter erwarten daher zu Recht entsprechende Bemühungen ihrer MitarbeiterInnen und unterstützen diese angemessen.

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Zum Begriff Arbeitsagogik

Schon von alters her wurden die Betreuten in den unterschiedlichsten sozialen Institutionen zur Arbeit angehalten, meistens indessen ohne konkrete Zielsetzung, lediglich in der bescheidenen Absicht, ihnen eine sinnvolle Tagesstruktur zu bieten. Vor allem in der Psychiatrie hat man aber schon frühzeitig begonnen, Arbeit auch als Förderungsmittel einzusetzen, ohne allerdings zu erforschen und zu wissen, wie Arbeit zu gestalten und einzusetzen ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Diese Bemühungen wurden, entsprechend der in der Psychiatrie gängigen Terminologie, als Arbeitstherapie bezeichnet. Dieser Ausdruck wurde nach und nach unreflektiert auch von andern Institutionen übernommen.

In einer umfassenden Untersuchung hat Walter Lanz nachzuweisen versucht, dass diese Art, Arbeit vor allem als Mittel zur persönlichen Förderung der Betreuten einzusetzen, vorwiegend sozialpädagogischer und nicht primär therapeutischer Natur ist (Link zu mehr Einzelheiten Therapie / Agogik ). Als Ergebnis dieser Analyse hat er 1993 den bis dahin unbekannten Begriff "Arbeitsagogik" geschaffen und in die Fachsprache eingeführt, worauf auch die "VAS Vereinigung Arbeitstherapie Schweiz" ihren Namen in "VAS Vereinigung Arbeitsagogik Schweiz" geändert und ihre berufsbegleitende Ausbildung zur Arbeitsagogin und zum Arbeitsagogen ins Leben gerufen hat.

Der Begriff "Arbeitsagogik" ist abgeleitet vom Wort "Sozialpädagogik", sind doch Arbeitsagogen nach unserem Verständnis im Arbeitsbereich tätige und dafür ausgebildete und spezialisierte Sozialpädagogen. Der Ausdruck soll verdeutlichen, dass sie nicht im Wohn- oder allgemeinen Betreuungs-, sondern eben im Arbeitsbereich wirken und die Arbeit selber zugleich ihr wesentliches agogisches Instrument bildet. Das Weglassen des irreführenden Präfixes "päd" (vom griechischen pais [paidós] "Kind", "Knabe") soll klar machen, dass sich die Klientel nicht aus Kindern, sondern aus Erwachsenen und Jugendlichen zusammensetzt.

Die eben dargelegten sprachschöpferischen Überlegungen führen für die romanischen Sprachen zu den Begriffen "ergagogie" auf Französisch und "ergagogia" auf Italienisch (vom griechischen [ergon] "Werk, Arbeit, Beschäftigung", bzw. [ergazomai] "arbeiten" und [ágein] "führen, leiten, begleiten" bzw. [agogós] "führend; Leiter, Führer").

 

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Lanz, Walter: Arbeitstherapie im sozialpädagogisch-therapeutischen Spannungsfeld. Diplomarbeit. Hochschule für Soziale Arbeit Zürich, Abteilung BSA. 194 S. 1993

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